Madeira, Funchal,
Eine Insel verliert ihren Charme.
Was macht ein Arbeitsloser, den keiner mehr haben will, weil er mit seinen 50 zu alt ist? Er schaut sich die Welt an. Unser Ziel war diesmal die kleine Insel Madeira. Klein ist sicherlich relativ, mit ca. 22 km Breite und einer Länge von ca. 57 km, bestehend aus fast nur Lavagestein ist es eine Insel, der man durchaus Respekt zollen sollte. Dieses ehemalige Kleinod der krassen Gegensätze ist aber leider auf dem besten Weg, zu einer reinen Touristeninsel zu verkommen. Manches wird mit Sicherheit von mir zu einseitig gesehen und dies hier soll in keiner Weise einen Reiseführer ersetzen. Hier möchte ich nur meinen Eindruck wiedergeben, den ich während meines kurzen wunderbaren Aufenthaltes auf Madeira erfahren habe.
Bevor es allerdings soweit war, wurden einige Reiseführer und Insidertipps gelesen, um einen ersten Eindruck von Madeira zu erhalten. Fast alles wurde nur von der besten Seite beschrieben. Diese Insel musste ganz einfach nur schön sein. Also, auf nach Madeira.
1. Tag, DONNERSTAG - Do. 20. Nov. (71-74)
Nach fast 4 Stunden Flug erschien die Insel auf der rechten Seite im strahlendsten Sonnenlicht. Im right downwind zur runway 05 ist der Flughafen Funchal gut zu sehen: teilweise auf Stelzen gebaut, liegt er da wie ein Flugzeugträger. Beide Enden der runway fallen steil Richtung Meer ab. Mit einer harten Rechtskurve geht es ins final. Was da von statten geht, kann kein IFR approach sein. In diesem Moment wäre ich gerne vorne im Cockpit gewesen. Bei meiner Abreise erfahre ich von einem Fluglotsen vom Funchal Tower, dass ich richtig vermutet hatte, Funchal kann nur VFR angeflogen werden. Die Berge erlauben keinen IFR approach. Bei dem schönen Wetter braucht man auch kein Instrumentenlandessystem. Die Piloten sollen ruhig einmal wieder richtig selber fliegen.
Den Besucher von Madeira empfängt, wenn er über den Luftweg kommt, ein moderner kleiner Flugplatz, ein lichtdurchfluteter Empfangsbereich, gefliest mit blau weißen Kacheln, die sehr an "Delfter Kacheln" erinnern. Als wir Mitte November ankommen, ist im Hallenbereich eine mehrere Quadratmeter große Krippenlandschaft aufgebaut. (Die Bewohner von Madeira sind streng gläubig). Überwältigend ist die Liebe zum Detail. Leider habe ich meine Kamera im Gepäck, so dass kein Foto gemacht werden konnte. (Dieses Pech, keine Kamera griffbereit zu haben, hatte ich häufiger, diesbezüglich fehlte mir die Lernfähigkeit.)
Die Gepäckbereitstellung erfolgte in einer Zügigkeit, welche wir von großen voll automatisierten Airports wie München, Düsseldorf, usw. schon seit langem nicht mehr gewohnt sind. Dort kann man ruhig noch mal ein "Käffchen" trinken gehen und steht sich dennoch die Beine am Gepäckband in den Bauch, und das nennt man auch noch Fortschritt.
Bei der Autovermietung angekommen, brauchen wir nur unsere Kundenkarte zu zeigen und schon haben wir die Wahl zwischen zwei verschiedenen Fahrzeugtypen einer Preisklasse. Wir entscheiden uns für einen kleinen "Franzosen", immerhin konnte ich bisher auch für ein französisches / englisches Unternehmen arbeiten, für deutsche Unternehmen war ich auch schon vor Jahren zu alt gewesen. Bei der Schlüsselübergabe für den Leihwagen offeriere man uns noch eine echte Vollkaskoversicherung ohne Selbstbeteiligung und einen 10% Rabatt auf die Tankfüllung, wenn wir das Fahrzeug mit leerem Tank zurückgeben. Ich kann mich nur daran erinnern, dass es hier preisgünstiger ist, den Wagen vollgetankt zurückzugeben.
Der Wagen ist auch ohne Platznumerierung schnell gefunden und ab geht es über eine autobahnähnliche Schnellstraße zum Hotel. Durch meine vielen Geschäftsreisen und den damit verbundenen Übernachtungen in den unterschiedlichsten Hotels, bin ich positiv überrascht über den Flair, die Ausstattung und die Großzügigkeit des Hotels und des Zimmers. Von diesem 4-Sterne Hotel mit dem Warnhinweis "Landeskategorie" können sich einige 5- 6-Sterne Hotels auf dem europäischen Festland bzw. in UK eine Scheibe abschneiden. Das fängt damit an, dass der hoteleigene Parkplatz rund um Uhr durch Wachleute einer der größten europäischen Sicherheitsunternehmen bewacht wird. Auf die Frage an der Rezeption, was für Kosten für den Stellplatz auf uns zukommen, kommt die Anwort: Für unsere Gäste ist dieser Service kostenfrei. Und das in einem Land, wo jeder qm aus dem Vulkangestein herausgebrochen werden muß. Ich denke da mit Grauen an London, wo der Parkplatz für den Leihwagen fast so teurer war, wie das Hotelzimmer.
Das Hotelzimmer ist für diese Preiskategorie vom Feinsten, ausgestattet mit einem kleinen Küchenbereich. In den Küchenschränken ist ausreichend Koch- und Essgeschirr, so dass wir unter Umständen unter die Selbstversorger gehen können. Das Bad ist großzügig gestaltet und mit einem Bidet ausgestattet. Die positiven Ersteindrücke vom Hotel sind damit noch lange nicht zu Ende. Aber ich möchte hier kein Prospekt für ein Hotel schreiben, sonst möchten nachher alle dahin. Der Blick durch die Balkontür gibt eine herrliche Aussicht auf den Ozean und die Felsen frei. Die meisterliche architektonische Anordnung der Balkone erlaubt keinen Einblick, weder von oben, von der Nachbarseite her noch von der Landseite. Die Privatsphäre ist gesichert.
Also Koffer aufs Zimmer und ab in Richtung Altstadt. Wir sind gut beraten, einen der vielen Linienbusse in die Stadt zu nehmen. Erst einmal ist es in der Altstadt nicht ganz einfach, einen Parkplatz zu finden und zweitens stellt sich heraus, dass die im Prospekt angegebenen 15 Minuten zu Fuß recht großzügig nach unten abgerundet wurden. Die Hafenumgebung ist eine Enttäuschung. Sie unterscheidet sich nicht von anderen Touristenstädten. Die Kellner ziehen einen regelrecht ins Lokal, dabei waren es reine Speiserestaurants.Es ist Nachsaison, die Touristen sind knapp, die Kellner entsprechend „aufmerksam“. Ein Hafenbummel ohne Belästigung durch die Kellner der Lokale ist nicht mehr möglich. Trotzdem entschließen wir uns, einer dieser Gaststätten die Chance zu geben, uns lukullisch zu verwöhnen. Die Preise sind in (T)Euro ausgezeichnet und erreichten ein Niveau, was nur das Beste erahnen lässt.
Da dieses Restaurant direkt am Kai liegt, vergeht die Wartezeit wie im Fluge. Die Kartoffeln hätten sicherlich nichts dagegen gehabt, uns den Sonnenuntergang noch etwas genießen zu lassen. Verdient hätten sie es auf jeden Fall, etwas länger im heißen Wasser zu verweilen. Nun weiß ich, dass auch Kartoffeln einen harten Kern haben. Der Fisch schweigt sich leider darüber aus, was man mit ihm angestellt hat. Seine Brustraumgräten können nicht mehr am Stück entfernt werden, höchstwahrscheinlich gab es einen Nahkampf mit der Köchin. Ich habe die Köchin gesehen, der Fisch hatte wirklich keine Chance.
Wir haben das Abendessen überlebt, keine Gräte steckt mehr im Hals, und schlendern unter Palmen und oben genannten Kellnerattacken auf der Uferpromenade in Richtung Bushaltestelle. Es ist mittlerweile etwas frisch geworden, die Sonne ist schon lange untergegangen, trotzdem zeigt das Thermometer an einem Bootssteg noch 14 Grad Celsius an. Es ist sehr angenehm unter den Palmen am Meer, aber die Müdigkeit treibt uns in Richtung Hotelbett.
Der Busfahrer ahnt unser Verlangen, sein Fahrstiel erinnert mich an eine Rallye. Viel Platz ist nicht mehr zwischen Außenspiegel und Hauswand, hätte er den Spiegel mit der Hand eingeklappt, sie wäre ab gewesen. Ich ziehe meinen Hut vor einem Fahrer, der so sein Fahrzeug beherrscht.
Kurz bevor wir das kleine Hotel betreten, schauen wir noch einmal am Pool vorbei. Gähnende Leere. Anscheinend sind wir die Letzten.
2. Tag, FREITAG - Fr. 21. Nov. (75-107)
Die Nacht ist schnell vorüber. Die Ozeanbrandung hat uns in einen tiefen und erholsamen Schlaf gesungen. Selten so gut geschlafen. Beinahe sogar das überlebenswichtige Frühstück verschlafen.
Das Frühstücksbüfett, ein Traum, sind wir in einer anderen Welt. Wie soll ich da meinen Vorsatz einhalten, ein paar Kilo abzuspecken. Unmöglich. Für sehr hart gesottene gibt es auch Magerquark und Diätmagarine. Wir setzen uns an einen Tisch auf der Terrasse mit Blickrichtung Hafen und Ozean und genießen die warme Vormittagssonne. Als wir den Frühstücksraum nach einer Stunde verlassen, ist der Löffel für den Magerquark immer noch sauber.
Der Himmel ist etwas bedeckt, was uns nicht abhält, den ersten Tagestrip zu starten. Entsprechend den Vorgaben unserer in Deutschland gekauften Reiseführer starten wir in Richtung Canical. Es widerstrebt uns die Schnellstraße 101 bzw. neue breite Straßen zu befahren. Autobahnen und Schnellstraßen haben wir auch in Deutschland, dafür brauchen wir nicht in ein fremdes Land zu fahren. Also, wann immer nur möglich die alten Serpentinen ähnlichen Straßen benutzen, die durch kleine Dörfer und abgelegenen Plantagen führen. Es ist schon eine harte Umstellung von einem Automatik Mittelklasse Wagen, den wir in Deutschland zurückgelassen haben, auf einen "kleinen Freund" mit Schaltgetriebe umzusteigen. Spätestens beim Anhalten wurde mir bewusst, wofür das linke Bein und das linke Pedal da sind. Trotzdem lernen wir ihn schnell lieben. Auch sind wir der Autovermietung dankbar, dass sie kein Cabrio für uns hatte. Aber darauf später. Zum Üben ist diese Strecke schon ganz angenehm. Leichte Steigungen und Gefälle, welche das Herunterschalten in den 2. Gang von Nöten machen, bereitet uns Flachlandbewohner auf die noch in den nächsten Tagen folgenden Passstraßen vor. Kurze Abstecher in kleine Fischerdörfer enttäuschen etwas, vieles was noch in den Reiseführern beschrieben wurde, gibt es nicht mehr. Die noch vor wenigen Jahren vorhandenen kleinen Häfen mit den bunten Fischerbooten sind betonierten Promenaden oder Großbaustellen gewichen. Alles wird für den Massentourismus geopfert. Ich kann die Menschen verstehen, die vom großen Kuchen etwas abbekommen möchten. Aber warum besucht man diese wunderbare Insel? Um nicht Alltägliches zu sehen. Ja, es gibt auch viele Touristen, die der Meinung sind, sie hätten Land und Leute kennengelernt, wenn Sie 10m vom Hotel entfernt waren und "Thank you" zum Zimmerservice gesagt haben. Auf diese sollte solch eine Insel wie Madeira aber dankend verzichten. Selbst diejenigen, welche vom Tourismus leben, verfluchen ihn und den (T)Euro. Beide machen für die Einheimischen das Leben unerträglich teuer. Ihre Welt wird zerstört, die Regierung beschleunigt diesen angeblichen Fortschritt auch noch tatkräftig und EU-Maßnahmen geben der Insel den Rest.
Die alten Straßen am Ostzipfel von Madeira gibt es nicht mehr, sie ähneln mittlerweile gut ausgebauten Bundesstraßen. Am letzten Kreisverkehr wenden wir, das Wetter hat leider umgeschlagen und es ist diesig, die Sichten sind stark eingeschränkt. Wir entschließen uns, in Richtung Santo da Serra weiter zu fahren und den Ostteil der Insel bei schönerem Wetter nochmals zu besuchen.
Abseits der Küste wird das Wetter wieder besser. Die Straßen werden wieder rustikaler. An den Straßenrändern wachsen Blumen und Pflanzen in einer Größe und Pracht, dass jede Zimmerpflanze bei uns vor Neid erblassen würde. Kakteen mit riesigen Blüten bzw. Knospen, so groß wie Hühnereier. Wir wären schon froh, wenn der ganze Kaktus bei uns im Wohnzimmer diese Blütengröße erreichen würde. Aber man kann nicht alles haben auf dieser kleinen Welt. Am Wegesrand, direkt am Abhang, steht eine Art Weihnachtsstern, der Busch ca. 1,5m hoch, die Blüten mit einem Durchmesser von ca. 30 cm. Da bleibt einem nur "no comment".
In Santo da Serra angekommen, parken wir direkt am Dorfplatz, wenige Schritte von einer kleinen Kirche. Der Marktplatz selber wurde mit Unterstützung der Europäischen Union, eine messingfarbene große Dankestafel zeugt davon, in eine sterile Ansammlung von Steinbuden umgewandelt. Sauber und akkurat ausgerichtet. Die mehr oder weniger starken Gebrauchsspuren zeigen, dass entweder nicht genügend Händler vorhanden sind oder nur ein Teil der Buden angenommen wird. Leider verfallen auch hier die Häuser, wie dieses große Haus, mit einem riesengroßem verwildertem Grundstück, direkt gegenüber dem Dorfplatz.
Wir beschließen, einen kleinen Laden am Rande des Dorfplatzes aufzusuchen, dessen einzige Modernisierung eine Registrierkasse ist, um Lebensmittel für den Tagesverzehr einzukaufen. Es ist ein Laden, der alles, was unser Herz begehrt, führt und das aus lokaler Produktion. Zum ersten Mal kommen wir weder mit Deutsch noch mit Englisch weiter. Die Landessprache ist angesagt. Von wegen flächendeckend wird Englisch gesprochen, wie es der Reiseführer versprach. Hätte uns auch gewundert. Wer in ein fremdes Land reist, sollte wenigstens die Grundbegriffe der Sprache dieses Landes beherrschen. Es ist eine Art der Höflichkeit und des Respekts vor der Bevölkerung.
Der Quinta do Santo da Serra wird in jedem Führer beschrieben und sollte auch eines Blickes gewürdigt werden. Es gibt aber schönere Gärten, welche dafür aber auch einen entsprechenden Obolus verlangen.
Langsam fahren wir in Richtung Portela-Pass (schnell fahren könnte tödlich sein) und genießen die Aussicht. Bei klarer Sicht soll man die Nachbarinseln sehen, dieses Vergnügen haben wir leider nicht. Das Wetter ist an diesem Tag zu trüb. Die Natur mit ihrer Pflanzen und ihrer Blütenpracht entschädigt uns um ein Mehrfaches. Insbesondere die Eukalyptuswälder auf dem Rückweg nach Funchal, deren starke Aromen den Wagen durchströmen.
In Funchal wieder angekommen, steuern wir diesmal direkt in die Altstadt und lassen den Hafen mit seinen Restaurants rechts liegen. Kleine Geschäfte und Restaurants gemischt mit reinen Wohnhäusern wechseln sich ab. Im Licht der Straßenlaternen und der Schaufensterbeleuchtung, nicht zu vergessen, in dieser Zeit der überall gegenwärtigen Weihnachtsdekoration, wird die komplette Altstadt in ein dezentes Lichtermeer getaucht. Selbst die engen Seitenstraßen mit ihren alten Gebäudebeständen strahlen eine Wärme der Geborgenheit aus. Auch wenn man hier und da sieht, dass der Zahn der Zeit so manchen von ihnen stark zugesetzt hat. Wie fast überall in Europa ist es schwer, einen gesunden Mittelweg zu finden. Auf der einen Seite die Auflagen des Denkmalschutzes, auf der anderen Seite das fehlende Geld und der fehlende Wille, in den kleinen und dunklen Räumlichkeiten zu wohnen oder zu arbeiten. Ein Kompromiss ist schwer zu finden, und so wird manches ehemalige Schmuckstück dem Verfall überlassen. Langsam aber sicher übernimmt die Natur die Überhand. Sträucher und Bäume beginnen aus den Dachrinnen und Dächern zu wachsen, Moos kriecht langsam an den Außenwänden herab. Wie es auch bei uns in den Städten und Dörfer immer wieder zu sehen ist. Dabei verpflichtet Eigentum, doch viele vergessen es. Die Regierung investiert anscheinend lieber in Schnellstraßen und Großtunnelprojekte als ihre wirklichen Schätze zu schützen, warum sollte sich Madeira vom ROW (rest of the world) unterscheiden.
Wir haben es gefunden, das Restaurant unseres Geschmacks. Die Kellner in traditioneller Kleidung, nicht aufdringlich, aufmerksam und höflich. Beratend stehen sie bei der Auswahl des Menüs zur Seite. Die Schalentiere als Vorspeise und das Thunfisch-Hauptgericht erfüllen voll unsere Erwartungen. Es gibt sie also doch noch, gute Restaurants in Touristenzentren. Wir genießen den Abend, bis uns die Kirchturmuhr der nur wenige Meter entfernten Kirche an die vorgerückte Zeit erinnert.
Zurück im Hotel, Blick in den Pool, trotz 25 Grad Wassertemperatur, wieder kein Schwimmer. Auch im öffentlichen Freibad scheinen die Scheinwerfer ins Leere. Ich habe auch keine Lust schwimmen zu gehen, es war ein eindrucksvoller und interessanter Tag. Dieser Tag geht in die Geschichte ein, ich habe heute weder meinen Laptop angemacht, um die Börsenkurse abzufragen, noch irgendwelche Wirtschaftsnachrichten gelesen. Das erste Mal seit Jahren. Und ich habe überlebt.
3. Tag, SAMSTAG - Sa. 22. Nov. (109-136)
Wieder warten ca. 15m Büfett auf uns, wir hoffen, dass uns die anderen Hotelgäste unterstützen. Es ist ja noch früh am Morgen. Die Sonne geht gerade auf und auf der Terrasse ist es noch zu kühl, wir bleiben "inside". Wir sind einer der ersten und haben die freie Auswahl, welchen Fensterplatz wir in Beschlag nehmen. Alle Plätze haben Ozeanblick. So früh am Morgen und schon solch schwere existentielle Entscheidung. Die nette Kellnerin nimmt uns die Entscheidung ab und bietet uns einen Platz mit Aussicht auf den Fels in der Ozeanbrandung an. Überwältigend die Spontaneität von ihr, so früh am Morgen. Wir nehmen dankend an.
Die erste Entscheidung für diesen Tag hat man uns abgenommen. Nun steht an: Was machen wir heute? Die Reiseführer sind nicht mehr ganz up to date, aber trotzdem noch sehr hilfreich. Zusätzlich ist Regen angesagt. Wir beschließen, die nahe Umgebung zu erkunden, um unser Hotelzimmer wieder schnell erreichen zu können, wenn der Regen zu heftig werden sollte. Was sagte mir vor Jahren ein Ostfriese? Jung, es gibt kein schlechtes Wetter, du hast nur die falsche Kleidung. Wer kann uns sagen, wo was zu sehen ist. Natürlich die Menschen, die hier wohnen.
Also Regenkleidung an und ab zur Rezeption. Warum wir die Regenkleidung anziehen, um zur Rezeption zu gehen? Berechtigte Frage. Nein, es regnet nicht durchs Dach. Die Rezeption ist im alten Herrenhaus, direkt unterhalb der kleinen Bananenplantage.
Die Empfehlung des Tages ist der Jardim Tropical Monte Palace. Es ist und bleibt der Tag der Entscheidungen: fahren wir mit der Seilbahn, mit dem Bus oder mit dem Wagen nach oben. Wir fahren mit dem Wagen. Also, erst in Richtung Innenstadt, dann hinter dem Fluß links hoch in Richtung Monte. Was sagte uns der Herr an der Rezeption: You can not miss it. Er hat sich getäuscht, we could. An Folgendes müssen wir uns hier gewöhnen: Die Wegweiser sind phantastisch, solange man auf einer Hauptstraße bleibt. Eine Hauptstraße ist eine Straße, auf der ein Bus fährt. Siehst du eine Bushaltestelle, bist du immer auf der richtigen Straße. Verlässt man diese, kann man sich nur noch nach dem Sonnenstand richten. Es gibt keine Wegweiser mehr. Umkehrschluss, Busfahrer richten sich nach den Wegweisern. Zweite Regel: Die Richtung wird angezeigt, das Ziel nicht. Das bemerken wir erst, als der Wegweiser Jardim Tropical Monte Palace in die Richtung zeigte, aus der wir kommen. Wir wären wieder vorbeigefahren, wenn wir nicht hinter den großen Bäumen, mehr durch Zufall die Kirche Nossa senhora do Monte gesehen hätten.
Direkt unterhalb dieser Kirche ist der Eingang zum Jardim und der Startplatz der Korbschlitten.
Der Park ist sehenswert. Unzählige tropische Pflanzen, die Wege zum großen Teil überdacht von den Kronen alter Bäume, ist er Ort der Stille. Kleine und größere Teiche laden ein zum Verweilen, kleine Wasserfälle und aus dem Gestein sprudelnde Quellen bringen eine zusätzliche entspannende Atmosphäre. Der japanische Teil des Garten mit seinen typischen Stil lässt einen mit den Gedanken abtauchen. Eine geflieste Tafel mit der Geschichte des Japanischen Gartens in Funchal fordert genauso zum Verweilen auf, wie die vielen kleinen und größeren Kunstwerke im gesamten Garten. Etwas abseits und mehr durch Zufall hinter dem Haupthaus zu finden, ist eine alte Porzellansammlung aus anscheinend besseren Zeiten. Vom Haupthaus aus und von einigen Stellen im Garten, wenn die Bäume den Blick freigeben, liegt einem die Stadt zu Füßen. Trotz teilweise strömenden Regens verfliegen die Stunden wie Minuten. Der Regen und die nicht ganz wasserdichte Kleidung überzeugen uns dann aber doch, den Jardimbesuch zu beenden und zurück zu fahren.
Den späten Nachmittag verbringen wir mit Shoppen. So besuchen wir eines der größten Einkaufszentren auf Madeira. Mein Batterieladegerät hat leider den Transport nicht überstanden, so dass 2 Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden können. Wie war das, man spricht flächendeckend Englisch. Also, ab in das erste Elektrofachgeschäft und nach einem battery-charger gefragt. Haben wir nicht, ist die Anwort. Habe die Antwort akzeptiert. Rein in das nächste Photofachgeschäft. Selbe Frage, gleiche Antwort. Durch Zufall sehe ich im Regal neben der Verkäuferin ein blister back mit der Aufschrift battery-charger und das in sehr großen Buchstaben. Wiederhole meine Frage: Sie haben wirklich kein Batterie- oder Akkumulatoren-Ladegerät? Nein, haben wir nicht, kommt bestimmt zurück. Da ich diesmal nicht unverrichteter Dinge wieder gehen will, bitte ich die junge Dame ihren hübschen Kopf einmal nach rechts zu bewegen, nicht, um ihr Profil zu bewundern, sondern ihr das Objekt meiner Begierde zu zeigen. Sichtlich überrascht fragt sie nochmals nach, ob ich wirklich das Gerät meine. Das Geschäftliche, wie Kreditkarte vorlegen und unterschreiben ist nur noch Routine. Der Hammer kommt noch, ich will gerade gehen, da sehe ich wie sie zielsicher unter die Ladentheke greift und das gleiche Gerät zum Vorschein bringt und an den leeren Platz in Regal stellt. Ich verstehe die Welt nicht mehr. So etwas kann man(n) ja nur persönlich nehmen.
Vor lauter Frust - die ganze Welt versteht mich nicht - nehmen wir unser Dinner im Hotel ein. Eine letzte richtige Entscheidung für diesen Tag.
4. Tag, SONNTAG - So. 23. Nov. (137-187)
Irgend ein Schiffskapitän ist der Überzeugung, wir haben lange genug geschlafen. Direkt unterhalb unseres Balkons gibt er Signal, ich stehe fast 10 cm über der Matratze, dem Herzinfarkt nahe. Die Nacht ist vorbei.
Dafür werden wir mit einem grandiosen Sonnenaufgang entschädigt. Wie heißt es: Morgenstund hat Gold im Mund. Dieser Tag muss ganz einfach schön werden. Also nicht lange trödeln, unter der Dusche herlaufen, anziehen und ab zum Frühstück. Nein, ich erzähle nichts über das Frühstück, sondern genieße es ganz einfach.
Heute haben wir ca. 180 km vor uns. Der erste Stepp ist der Pico do Arieiro. Wie gestern, es geht erst in die Richtung Monte. Bis zur Altstadt, hinter dem Fluß links Richtung Monte, dann weiter auf der 103 bis zur ersten kleinen Straße links. Wir lieben die alten Serpentinen ähnlichen Straßen. Die als Estradas Secundarias bezeichneten Straßen sind der Hit. Direkt am Anfang ein großes Schild: Achtung Steinschlag. Kennen wir alles, diese Schilder gibt es auch in Deutschland an jedem Hügel, und keiner nimmt sie erst. Die Kurven sind teilweise so eng, dass wir weit auf die Gegenfahrbahn kommen. Was heißt hier Gegenfahrbahn? Stellenweise fehlt die Mittellinie und die Fahrbahnbreite reduziert sich auf ca. LKW-Breite. Wir sind froh, dass uns zeitweise kein Fahrzeug entgegenkommt. Unser "kleiner Freund" quält sich im 2. Gang den Berg hoch, wir geben ihm die Möglichkeit seine Sportlichkeit zu zeigen und schalten zurück in den 1. Gang. Nun zeigt er seine volle Spurtstärke und kriecht den Berg hinauf. Ob wir nicht doch besser die 202 genommen hätten? Nein, keinesfalls, die Pflanzenwelt und das Gefühl, dass diese Straße in wenigen Jahren nicht mehr befahrbar ist, kann eine moderne Straße nicht ersetzen. Aber auch dieser Genuss geht vorbei und wir stoßen auf die ausgebaute 202. Die eben noch vorhandenen Bäume werden in dieser Höhe zu Sträuchern und Büschen oder verschwinden komplett. An jeder kleinen Ausweichstelle könnten wir stehenbleiben und die Natur genießen. Es sind nur noch wenige hundert Meter bis zum Parkplatz am Pico do Arieiro. Einige Fahrzeuge, die uns entgegenkommen, haben kleine Schneemänner auf den Motorhauben. Das Thermometer zeigt noch 3 Grad an. Es sollte noch kälter werden. Angekommen, spüren wir selbst im Wagen den heftigen Wind. Die Menschen auf der Aussichtsplattform kämpfen gegen den Wind an. Ich krempele die Ärmel wieder runter, Knöpfe mein Hemd bis zum letzten Kragenknopf zu, ziehe Strickjacke und Anorak an, bevor wir aussteigen. Wie war das noch, Windchill nach der Siple-Passel Methode mindestens -20 Grad oder geht es uns besser, wenn wir den neuen Windchill-Index nehmen. Dann ist es wesentlich wärmer und wir fühlen nur noch ca. -10 Grad. Ganz egal, es ist saukalt hier. Wir verstecken uns doch nicht vor den Einheimischen? Die kommen extra mit ihren Kindern hier hoch, um den letzten Schnee aus den windgeschützten Stellen zusammen zu kratzen und noch eine Minischneeballschlacht zu machen. Wir aus dem kühlen Norden zittern doch nicht schon bei gemessenen 0 Grad.
Ich kann die Kamera nicht ruhig halten, so zieht es hier. Einstimmig beschließen wir, den Fußmarsch zum Gipfel auf den Sommer zu verschieben. Weiter in Richtung Santana. Zurück über die 202 zur 103. Mit jedem Meter, den wir uns dem MSL (mean sea level) nähern, steigt die Temperatur wieder, wir messen angenehme 13 Grad, als wir Ribeiro Frio erreichen.
Es ist erst halb zwölf, eigentlich noch etwas früh für das Mittagessen. Vertreten wir uns etwas die Füße und schauen uns unser Mittagessen einmal etwas näher an. Forellen so weit das Auge reicht. In den verschiedenen Zuchtbecken schwimmen Tausende von Forellen in den unterschiedlichsten Größen. Von Guppy Größe bis zum ausgewachsenen Fisch ist alles vertreten. Jede Größe hat ihr eigenes Zuchtbecken. Eine sehr gepflegte Anlage. Es gibt keine Frage, wo der Fisch so frisch auf den Tisch kommt, kehren wir ein. Vorbei an der kleinen Kapelle direkt ins Lokal. Kein Kellner überfällt uns am Eingang, in aller Ruhe können wir die Speisekarte studieren, leichter Räucherqualm zieht durch den Gastraum. Eine wahrlich romantisch gemütliche Atmosphäre. Vom unserem Sitzplatz blicken wir auf einen schmalen Wanderweg entlang des Bergbaches.
Die gegrillte Forelle schmeckte vorzüglich. Vielleicht hat der geräucherte Schinken, welcher während des Grillens in der Forelle lag, den Geschmack so positiv verändert. Beim nächsten Forellengrillen zu Hause werde ich das auf jeden Fall einmal ausprobieren.
Der Touristenbus fährt leider nicht vorbei. Schnell füllt diese Reisegruppe das kleine Lokal. Es sind Landsleute. Warum müssen deutsche Touristen immer so laut sein? Kann man sich nicht leise unterhalten? Das offene Bein der Oma interessiert mich doch wirklich nicht, ich kenne die Oma doch gar nicht. Gott sei Dank sind wir fertig, bezahlen und genießen einen kurzen Spaziergang entlang des Baches. Eine idyllische Ruhe, nur das Plätschern des Wassers ist zu hören. Viel Zeit bleibt uns nicht, wir haben uns diesmal eine lange Tour vorgenommen.
Meine Frau fährt, kein Problem, wir haben eine Vollkaskoversicherung. Ich kann die Aussicht genießen und lese zwischendurch im Reiseführer, was uns in Santana und Sao Vicente erwartet. Die Straße bis Santana ist gut ausgebaut, das beruhigt mich.
Von weitem sind die typischen strohgedeckten Holzhäuser schon zu sehen. Direkt neben dem modernem Rathaus, welches einer Großstadt alle Ehre machen könnte. Nur sind diese Häuser nicht bewohnt sondern wurden neben dem Prachtbau extra für den Touristen wieder aufgebaut. Die Häuser dieser Bauart, die wir finden, sind selten bewohnt. Sicherlich haben wir in der übersichtlichen Stadt nicht intensiv genug gesucht. Ich habe auch kein Interesse, Armut zu photographieren, das kann ich auch hier in Deutschland. Bei dieser Rundreise begegnen uns immer wieder die harten Gegensätze, hier die Prunkvilla mit Videoüberwachung und hohen Mauer, direkt nebenan das verfallene Gebäude mit defektem Dach und zerbrochenen Fenstern, in dem Menschen leben.
Wirklich sehenswert unter den Gebäuden sind die Kirchen, sie laden gerade zu ein, zu verweilen. Wenn wir ein Photo vom Innenraum machen, ist es ohne Blitz, um die Gläubigen während des Gebets nicht zu stören. Ansonsten sehen wir nur Großbaustellen, überall wird mit schwerem Gerät gearbeitet.
Wir benutzen für die Rückreise nicht den neuen Tunnel, sondern nehmen die 104 durch den Regenwald. Auf der ganzen Strecke kommt uns kein einziges Auto entgegen. Was hat man gegen diese Strecke, scheut man den Anblick von alten, kräftigen Bäumen, von Farn, der Meter hoch ist, von Pflanzen, von denen viele botanische Gärten nur träumen können. Was fasziniert einen Autofahrer, durch einen über 3 km langen Tunnel zu fahren? Scheut er den Anblick der Natur, weil er gerade dabei ist, diese zu zerstören? Wir genießen auf jeden Fall diese Route, auch wenn ab und zu ein paar Felsbrocken oder Pflanzenteile auf der Straße liegen. Hier sollte man das Hinweisschild "Steinschlag" ernst nehmen. Was sagte bereits Asterix der Gallier: Der Himmel kann einem auf den Kopf fallen.
Kurz vor Adega trifft die neue Schnellstraße wieder auf die 104. Ab hier ist Schluss mit lustig. 30-41 Tonner Baustellenfahrzeuge befördern Gesteinsbrocken aus dem Tunnelbau in Richtung Ozean und entledigen sich dort ihrer Fracht. Die Insel wird überall durchbohrt wie ein Schweizer Käse. Die 104, für solche Schwersttransporte nicht konstruiert, zeigt ihre klaffenden Wunden. Baustellenfahrzeuge und eine Tunnelbohrmaschine versperren uns die Weiterfahrt nach Ribeira Brava. Wir wollten über die alte 229 nach Funchal zurück, werden aber auf die Schnellstraße 101 umgeleitet. Einen Vorteil hat es, es spart uns ca. 12km. Wenn man lange genug sucht, findet man an allem etwas Positives. Nach Sonnenuntergang erreichen wir Funchal. Im Lichterglanz gegrüßt uns die Stadt.
Gestern, beim Abendspaziergang, hatten wir ein gemütliches Restaurant gesehen, mit wechselnder Tagesmenükarte. Diese wollen wir heute Abend ausprobieren. Nachdem wir unseren Wagen auf dem Hotelparkplatz abgestellt haben, schlendern wir dorthin.
Die Kellnerin bringt uns ein auf einem Tablett eine Auswahl von fangfrischen Fischen, wir wählen einen Korallenfisch. Sein starkes Gebiß, womit er vor wenigen Stunden noch die Korallen im Ozean bearbeitet hat, schützte ihn nicht vor des Fischers Netz. Jetzt liegt er auf unserem Teller und erfreut unseren Gaumen mit seinem geschmackvollen Fleisch.
5. Tag Mo. 24. Nov. (188-238)
Leichte Bewölkung zieht auf, was soll's, wir nicht zum Baden hier, sonst wären wir auf eine Südseeinsel geflogen. 17 Grad am Morgen sind auch nicht schlecht. Wir wollen heute den Westen der Insel besichtigen. Diese Insel bietet mehr, als wir in einer Woche sehen können. Also packen wir soviel wie möglich in einen Tag. Auf geht’s mit einer Rundtour Grutas de Sao Vicenta, Risco, Ponta do Pargo, Paul do Mar. Nein, auch heute nehmen wir nicht die Tunnelstrecke, sondern wieder die Regenwaldstraße. Die Grutas de Sao Vicenta sind gut ausgeschildert. Der große Parkplatz vor einem neu errichteten Glaspavillon zeigt uns an, dass wir angekommen sind. Grottenführerinnen für alle europäischen Sprachen stehen für die Rundführung bereit. Nur Deutsch ist nicht dabei, sie ist schwanger. Also entschließen wir uns, uns der netten englisch sprechenden Führerin anzuvertrauen. Sie hat keine Eile, die Führung startet erst in 20 Minuten. Auf einmal kommt Leben in die kleine Person, die 20 Minuten sind noch lange nicht vorbei, da bietet sie unserer Minigruppe von 5 Personen an, schon jetzt die Führung zu beginnen. Auf meine nicht gerade diskrete Frage, was uns diese Ehre verschafft, so zuvorkommend behandelt zu werden, kommt ein kleiner Fingerzeig in Richtung Parkplatz. Hier kommt gerade eine Busladung voll Touristen an. Leise schiebt noch sie den Satz nach: "Dieses Vergnügen überlasse ich gern meinen Kolleginnen." Mit englischem Humor und fehlerfreien deutschen Einlagen führt Sie uns durch die Grotte. Manchmal begreift man den englischen Humor erst ein paar Sekunden später. Es macht ihr einen Heidenspaß, uns auf den Arm zu nehmen. So sollen uns die erst gestern entstanden, armbreiten Rissen in der Decke nicht stören, die wären nur entstanden, weil gestern hier ein Tourist zu laut genießt hätte. Sie läßt sich viel Zeit für die Rundführung, so dass uns die Reisegruppe, sinnvollerweise aufgeteilt, doch noch einholte.
Diese Führung ging leider viel zu schnell vorbei.
Unser nächstes Ziel sind die Risco-Wasserfälle. Ein kurzes Stück zurück auf der 104, nicht durch den Tunnel, bei Rosario links in Richtung Regenwald. You can't miss it. Auf einer kleinen Anhöhe steht weit sichtbar der Glockenturm von Rosario, eine kleine Kapelle nur bestehend aus dem Glockenturm. Nach wenigen km geht es weiter auf der 110 in Richtung Achadas da Cruz. Auf dieser Strecke ist es äußerst empfehlenswert, das Schild "Steinschlag" ernst zu nehmen. Nicht nur, dass respektable Felsbrocken auf der Straße liegen, sondern auch, weil die Einheimischen einem auf der eigenen Fahrbahnseite entgegenkommen können. Diese halten nämlich einen Sicherheitsabstand von den Felswänden. Zu einem späterem Zeitpunkt sehen wir ein Fahrzeug, dem "der Himmel auf den Kopf gefallen" sein muss. Ein Teil des Daches ist eingedrückt bis zur Fensterunterkante. Bei einem Cabrio hätte leicht das Polster beschädigt werden können. Immer mehr verstehen wir, warum es auf Madeira kaum Cabrios gibt. Das Schild Risco haben wir beinahe verpasst, dabei steht es in unmittelbarer Nähe eines Sendemastes, der einzige weit und breit. Die Zufahrt nach Risko ist durch eine Schranke versperrt. Also im Gras geparkt und per pedes die 2km nach Risko. Wie hieß es im Lied von Hildegard Knef: "von nun ab ging's bergab". Mehr oder weniger steil. Durch kleine Bäche, die über die asphaltierte Straße laufen, über Schotter, immer bergab. Uns graut es schon vor dem Rückweg. Nach 2 km erreichen wir Risko, bestehend aus zwei Gebäuden, eines davon eine Gaststätte, unser Glück, sie ist geschlossen, wir brauchen uns nicht aufzuhalten und können den restlichen Weg unverzüglich fortsetzten. Festes Schuhwerk ist angesagt bzw. wasserdichte Schuhe. Nach etwa 40 Minuten vorbei an vielen kleinen Quellen, unter umgekippten Bäumen hindurch, über Treppen, die nicht mehr enden wollen, erreichen wir den Wasserfall. Wer die Niagarafälle kennt ist enttäuscht. Wer allerdings das Schauspiel sehen möchte, wie der Wind die kompletten Wassermassen verweht und zeitweise wieder nach oben drückt, ist begeistert. (Ende des kleinen Films zu sehen.) Also schnell eine kleine Aufnahme als Beweis, dass wir hier waren und zurück das Ganze. Wie heißt es: Der Weg nach oben ist beschwerlich. Und wie hieß es im Reiseführer: "ein wenig anspruchsvoll". Trotz einer Temperatur von ca. 10 Grad, wir befinden uns auf ca. 1100 m über MSL, bilden sich auf unseren Rücken kleine Rinnsale. "Auf allen Vieren" erreichen wir das Auto.
Die aufliegenden Wolken erlauben keine Sicht ins Tal. So geht es ohne Verzögerung nach Ponta do Pargo weiter. Wer noch keine Steilküste, keinen neuen Leuchtturm und keine Luxusvillen gesehen hat, für den ist es ein lohnenswerter Abstecher.
Die Straßenränder nach Paul do Mar entschädigen uns mit Ihrer Blütenpracht, wir befinden uns auch wieder auf der Sonnenseite des Lebens. Eine schmale Straße führt uns direkt ins Dorf. Wie viele Dörfer, verliert auch Paul do Mar gerade seinen Charme. Die beschaulichen Häuser weichen gerade einer modernen Architektur, die kleinen Gassen passen nicht mehr in das moderne Businessleben. Wo vor einigen Monaten noch die Fischerboote lagen, wird eine Promenade aus Beton gegossen. Die kleinen Mosaikbilder auf den Wegen sind überflüssiger Schnickschnack aus vergangener Zeit. In den Rillen zwischen den Steinen könnten ja Pfennigabsätze hängen bleiben. Das Meer weint, vor lauter Erde, die man direkt hinein befördert, wird aus glasklarem Wasser eine braune Brühe. Wir haben Verständnis für die Alten auf der Dorfbank, die diese Welt nicht mehr verstehen und beklagen, wie Traditionen in wenigen Wochen vernichtet werden. Nur wegen des schnöden Mammons. Wir können uns die traurigen Gesichter, die auch mit Wut auf den Tourismus gefüllt sind, nicht länger ansehen und haben auch ein schlechtes Gewissen, dass wir mit Schuld an dieser Veränderung sind. Das Geschäft werden wieder andere machen und nicht die, die seit Jahrhunderten dort leben. An vielen dieser Baustellen stehen Schilder "Gefördert durch die Europäische Union". Ob sich je ein Bürokrat dieses Juwel einer Insel mal mit offenen Augen vorher angesehen hat.
Der Tag geht mit schweren Gedanken zu ende und wir sehen versonnen den Schiffen zu, die zurück in ihren Hafen kommen.
6. Tag, Di 25. Nov. (239-305)
Der Himmel verspricht heute einen sonnigen Tag. Also ist Bewegung angesagt. Wenige Autominuten von der Altstadt entfernt gibt es eine Orchideenfarm, nicht weit vom Jardim Botanico. Durch enge Gassen geht es den Berg hinauf, die klare Sicht erlaubt uns einen Blick auf den Hafen von Funchal. Die Beschilderung ist wieder landestypisch. Auf dem Wegweiser werden 200 m angezeigt, nach 800 m sehen wir das kleine Eingangsschild. Unscheinbar hinter einer Steinmauer versteckt liegt die kleine Farm. Eine kleine Eidechse begrüßt uns persönlich, auch sie genießt die warme Herbstsonne und läßt sich durch uns in keiner Weise stören. Für den Orchideenliebhaber ist diese Farm ein Muss. Hier sollen statt vieler Worte lieber die Bilder sprechen. Wir können leider nicht länger bleiben und sehen im Hinausgehen, dass auch hier nicht alles Gold ist, was glänzt.
Wenige Meter weiter, zu Fuß spielend zu erreichen, liegt der Botanico. Ein Eldorado für Türschützer, in relativ kleinen Vogelvolieren, wie sie vor Jahren auch in unseren zoologischen Gärten üblich waren, sind die verschiedensten tropischen Vogel untergebracht. Dies macht aber nur einen Bruchteil des 3,5 ha großen botanischen Gartens aus. Während sich die Familien mit Ihren Kindern im zoologischen Bereich aufhalten, können wir die idyllische Ruhe genießen. Nur wenige Personen verteilen sich auf den großzügig angelegten Garten. Ca. 2000 subtropische und tropische Pflanzen erfreuen das Auge. Direkt unterhalb des Jardim Botanico verläuft die "vielbefahrene" Hauptschnellstraße 101 von West nach Ost. Es hat sich gelohnt, dieses Tal zu zerschneiden. Ich weiß, Fortschritt muss sein, der Tourist soll sich wie zu Hause fühlen. Was sangen die Bläck Föös: Es fehlt nur vom Balkon die Aussicht auf den Dom.
Auf unserer Tour ist nun noch ein Punkt offen, die Stippvisite an die Ostküste, die wir am 2. Tag wegen schlechten Wetters abgebrochen haben. Hinter dem Kreisverkehr, wo wir beim letzten Mal wendeten beginnen bereits die ersten neu angelegten Parkplätze. Auch dieser Teil der Insel wird gerade für den Tourismus erschlossen, die Arbeiten hierfür sind noch im vollem Gang. Die Straße endet in einem großen Wendehammer, so dass auch Reisebusse in einem Zug wenden können. Am Straßenrand hat schon der erste mobile Verkaufstand aufgemacht. Sein Stromaggregat übertönt noch in 1km Entfernung das Rauschen der Brandung. Wir müssen schon weit gehen, um wieder Ruhe zu finden. Dieses Ende der Insel ist, wenn man weit genug sich von den Parkplätzen entfernt, ein Mekka für die Entspannung. Der Wind vom Ozean bläst einem ungebremst in Gesicht. Warme Kleidung ist empfehlenswert. Madeira kann seinen stetig wachsenden Strombedarf bei weitem nicht mehr alleine durch Wasserkraft decken. So ist es verständlich, andere Energiequellen anzuzapfen. Hier sprießen die Windkraftwerke wie Pilze aus dem Boden. Dem Moloch Tourismus muss der letzte unberührte Flecken Erde geopfert werden. Wo jetzt noch der Wind und die Brandung zu hören sind, können wir in naher Zukunft das Rauschen der Rotoren hören, jeder soll sich wie zu Hause fühlen. Auch der gleichmäßige Schlagschatten der Rotorblätter wird dem Spaziergängern ein Heimatgefühl geben. Armes Madeira.
7. Tag, Mi 26. Nov. (306-336 )
Es ist unser letzter Tag, Morgen geht es zurück. Die Sonne möchte uns heute wieder verwöhnen. Unter unserem Balkon sammeln die ersten Krabben- und Muschelfischer ihre Krustentiere ein. Wir entschließen uns eine kleine Levadawanderung zu unternehmen und auf diesem Weg die Meerwasserschwimmbecken Porto Moniz uns anzusehen. Also auf die andere Seite der Insel und entlang der Küstenstraße. Hier wird gebaut und gebohrt was das Gestein aushält. Wir haben den Eindruck, die ganze Insel muß in wenigen Tagen von der einen auf die andere Seite transportiert werden. Die kleinen romantischen Küstenstraßen weichen gut ausgebauten Estradas Regionais. Wann immer es noch möglich ist, weichen wir auf die alten Küstenstraße aus, welche sich eng an den Fels anschmiegt und auf der anderen Seite der Ozeanbrandung trotzt. Einige Teile von ihr sind leider bereits für den Verkehr gesperrt worden. Hinter jeder Kurve kommt eine neue Überraschung, mal ein grandioser Wasserfall, der hunderte von Meter frei nach unten stürzt und direkt auf der Straße endet -ob man will oder nicht, man muss mit seinem Wagen durch -, mal fehlen die Begrenzungssteine zur Ozeanseite. Eine Fahrt, die wir zu jedem Zeitpunkt genießen. Hindurch durch kleine Dörfer mit kleinen Geschäften. In Ribeira da Janela hat die Emanzipation diesen Teil der Insel fest in Ihrer Hand. Drei Männer legen ein Tuch zusammen. Der Sandstrand wird etwas feiner. Wir haben das Gefühl, wir gehen über Schrotkugeln. Die Brandung ist auf dieser Seite der Insel wesentlich stärker als auf der Südseite. Weiter geht es in Richtung Porto Moniz. Die Meerwasserschwimmbecken aus Lavagestein liegen verlassen am Ortsrand, es ist zu kalt in dieser Jahreszeit, um schwimmen zu gehen. Zumal die hohen Berge lange Schatten auf die Nordseite der Insel werfen. Nur hier und da kommt ein Sonnenstrahl durch. In den Becken tummeln sich Fische und Krabben. Es ist halt ein Meerwasserschwimmbecken. Am Kreisverkehr geht’s in Richtung Levada Grande. Kein Hinweisschild weißt den Weg zu dem Levadaweg. Wir fragen den nächst besten Bauarbeiter nach dem Weg. Wir stehen 5 m davon entfernt. Entlang an Felswänden und durch Eukalyptuswälder schlängelt sich der Levada. Je weiter wir zur Quelle kommen, desto schmaler wird Weg und desto steiler werden die Hänge zur Linken. Die Geländer aus Holz haben dekorativen Charakter. Im Größenvergleich erkennt man den Durchmesser des Geländerholzes und den davor sitzenden Vogel. Trotzdem ist es ein gemütlicher und entspannter Spaziergang. Nach 1,5 Stunden verschwindet der Levada in einen Tunnel. Die fehlende Taschenlampe überzeugt uns, nicht weiter zu gehen (ein absoluter Kritikpunkt bei beiden Reiseführer, dass dieser Hinweis fehlte). Beim nächsten mal werden wir sie dabei haben. Wir kehren um und lassen die Natur zum letzten Mal auf uns wirken. Während der ganzen 3 stündigen Wanderung trafen wir nur 4 mal auf Wanderer. Ein paradiesischer Platz zum Relaxen.
8. Tag, Do. 27. Nov. (337-348)
Es ist unser Abreisetag, wir genießen das letzte Mal das Frühstücksbüffet. Auch das noch, Nörgler am Nachbartisch, altes Semester, ich weiß ich bin auch nicht mehr der Jüngste, aber die sind noch älter. Sie auf jung getrimmt, Lippen stark übermalt, einen Ausschnitt zum fürchten. Hoffentlich fällt keiner hinein, er wäre verloren. Er unterhält sich mit dem gegenüber vom Nachbartisch. In einer Lautstärke, dass es keine Chance gibt weg zuhören erfahren wir, wie furchtbar hier die Straßen sind, die Insulaner parken hier wie sie wollen, vor 3 Jahren war es hier noch schlimmer, usw. Ich bedauere diesen Menschen, er hat sich den falschen Ferienort ausgesucht. Hätte er sich doch ein Land ausgesucht mit Zucht und Ordnung. Dort, wo Verkehrssünder zu Tode geprügelt werden. Auf dieser Insel werden zu seinem Leidwesen noch Toleranz und gegenseitige Rücksichtnahme praktiziert. Verbotsschilder, Geschwindigkeitsbeschränkungen, findet man außerhalb Funchals, der Touristenhochburg, selten. Jeder nimmt auf jeden Rücksicht, selbst Linienbus- und Lkw-Fahrer fahren rückwärts den Hang wieder rauf und Pkws fahren in kleine Einfahrten, um einen Knoten wieder aufzulösen. Keiner hupt oder zeigt dem anderen einen Vogel. Alle bedanken sich gegenseitig durch Handzeichen und einem freundlichen Lächeln. Hoffentlich schafft es diese Art von Touristen nicht, diese Mentalität zu zerstören.
Am Flughafen geben wir unseren Leihwagen ab und geben unsere Koffer auf. Wir haben noch etwas Zeit und lernen auch hier die Freundlichkeit und Zuvorkommenheit der Menschen kennen. Insbesondere möchte ich mich auf diesem Wege bei den Sicherheitskräften und Fluglotsen bedanken. Beim nächsten Mal werden wir uns ein Flugzeug chartern und die Insel auch aus der Luft besichtigen. Für eine Woche ist diese Insel einfach zu groß.
Wir werden sobald wie möglich wiederkommen. Bevor der schnöde Mammon dieses Paradies total zerstört hat.
Wem dieser Reisebericht nicht zusagt, der hätte ihn nicht bis zum Ende zu lesen sollen. Für die anderen: Es ist eine Insel der krassen Gegensätze und was das Klima angeht. Vom strahlendsten Sonnenschein bis zu heftigen Regenfällen, von gemütlichen 22 Grad bis zur Frostgrenze und das alles auf nur wenigen Quadratkilometern, von denen noch jeder einzelne einen Besuch wert ist.
PS: Einige Bilder sind der Zensur zum Opfer gefallen. Hauptsächlich diese, auf denen Personen erkennbar gewesen wären. (Wir möchten vermeiden, dass wir eventuell wegen falsch wiedergebenden Haarfarben!! oder aus anderen Gründen, wie, ich war nie dort, ein Gerichtsverfahren angehängt bekommen). Wo es sich nicht vermeiden ließ, wurden Personen eliminiert (unkenntlich gemacht). Ich hoffe, dieser Bericht hat Ihnen gefallen und wünsche Ihnen )und Ihrer Begleitung) einen schönen Aufenthalt auf Madeira.
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Wasserfall