2. Tag

Die Nacht ist schnell vorüber. Die Ozeanbrandung hat uns in einen tiefen und erholsamen Schlaf gesungen. Selten so gut geschlafen. Beinahe sogar das überlebenswichtige Frühstück verschlafen.

Das Frühstücksbüfett, ein Traum, sind wir in einer anderen Welt. Wie soll ich da meinen Vorsatz einhalten, ein paar Kilo abzuspecken. Unmöglich. Für sehr hart gesottene gibt es auch Magerquark und Diätmagarine. Wir setzen uns an einen Tisch auf der Terrasse mit Blickrichtung Hafen und Ozean und genießen die warme Vormittagssonne. Als wir den Frühstücksraum nach einer Stunde verlassen, ist der Löffel für den Magerquark immer noch sauber.

Schiff mit bedecktem Himmer

Der Himmel ist etwas bedeckt, was uns nicht abhält, den ersten Tagestrip zu starten. Entsprechend den Vorgaben unserer in Deutschland gekauften Reiseführer starten wir in Richtung Canical. Es widerstrebt uns die Schnellstraße 101 bzw. neue breite Straßen zu befahren. Autobahnen und Schnellstraßen haben wir auch in Deutschland, dafür brauchen wir nicht in ein fremdes Land zu fahren. Also, wann immer nur möglich die alten Serpentinen ähnlichen Straßen benutzen, die durch kleine Dörfer und abgelegenen Plantagen führen. Es ist schon eine harte Umstellung von einem Automatik Mittelklasse Wagen, den wir in Deutschland zurückgelassen haben, auf einen "kleinen Freund" mit Schaltgetriebe umzusteigen. Spätestens beim Anhalten wurde mir bewusst, wofür das linke Bein und das linke Pedal da sind. Trotzdem lernen wir ihn schnell lieben. Auch sind wir der Autovermietung dankbar, dass sie kein Cabrio für uns hatte. Aber darauf später. Zum Üben ist diese Strecke schon ganz angenehm. Leichte Steigungen und Gefälle, welche das Herunterschalten in den 2. Gang von Nöten machen, bereitet uns Flachlandbewohner auf die noch in den nächsten Tagen folgenden Passstraßen vor. Kurze Abstecher in kleine Fischerdörfer enttäuschen etwas, vieles was noch in den Reiseführern beschrieben wurde, gibt es nicht mehr. Die noch vor wenigen Jahren vorhandenen kleinen Häfen mit den bunten Fischerbooten sind betonierten Promenaden oder Großbaustellen gewichen. Alles wird für den Massentourismus geopfert. LandschaftIch kann die Menschen verstehen, die vom großen Kuchen etwas abbekommen möchten. Aber warum besucht man diese wunderbare Insel? Um nicht Alltägliches zu sehen. Ja, es gibt auch viele Touristen, die der Meinung sind, sie hätten Land und Leute kennengelernt, wenn Sie 10m vom Hotel entfernt waren und "Thank you" zum Zimmerservice gesagt haben. Auf diese sollte solch eine Insel wie Madeira aber dankend verzichten. Selbst diejenigen, welche vom Tourismus leben, verfluchen ihn und den (T)Euro. Beide machen für die Einheimischen das Leben unerträglich teuer. Ihre Welt wird zerstört, die Regierung beschleunigt diesen angeblichen Fortschritt auch noch tatkräftig und EU-Maßnahmen geben der Insel den Rest.

Die alten Straßen am Ostzipfel von Madeira gibt es nicht mehr, sie ähneln mittlerweile gut ausgebauten Bundesstraßen. Am letzten Kreisverkehr wenden wir, das Wetter hat leider umgeschlagen und es ist diesig, die Sichten sind stark eingeschränkt. Wir entschließen uns, in Richtung Santo da Serra weiter zu fahren und den Ostteil der Insel bei schönerem Wetter nochmals zu besuchen.

Abseits der Küste wird das Wetter wieder besser. Die Straßen werden wieder rustikaler. An den Straßenrändern wachsen Blumen und Pflanzen in einer Größe und Pracht, dass jede Zimmerpflanze bei uns vor Neid erblassen würde. Kakteen mit riesigen Blüten bzw. Knospen, so groß wie Hühnereier. Wir wären schon froh, wenn der ganze Kaktus bei uns im Wohnzimmer diese Blütengröße erreichen würde. Aber man kann nicht alles haben auf dieser kleinen Welt. Am Wegesrand, direkt am Abhang, steht eine Art Weihnachtsstern, der Busch ca. 1,5m hoch, die Blüten mit einem Durchmesser von ca. 30 cm. Da bleibt einem nur "no comment".

Marktplatz

In Santo da Serra angekommen, parken wir direkt am Dorfplatz, wenige Schritte von einer kleinen Kirche. Der Marktplatz selber wurde mit Unterstützung der Europäischen Union, eine messingfarbene große Dankestafel zeugt davon, in eine sterile Ansammlung von Steinbuden umgewandelt. Sauber und akkurat ausgerichtet. Die mehr oder weniger starken Gebrauchsspuren zeigen, dass entweder nicht genügend Händler vorhanden sind oder nur ein Teil der Buden angenommen wird. Leider verfallen auch hier die Häuser, wie dieses große Haus, mit einem riesengroßem verwildertem Grundstück, direkt gegenüber dem Dorfplatz.

Haus

Wir beschließen, einen kleinen Laden am Rande des Dorfplatzes aufzusuchen, dessen einzige Modernisierung eine Registrierkasse ist, um Lebensmittel für den Tagesverzehr einzukaufen. Es ist ein Laden, der alles, was unser Herz begehrt, führt und das aus lokaler Produktion. Zum ersten Mal kommen wir weder mit Deutsch noch mit Englisch weiter. Die Landessprache ist angesagt. Von wegen flächendeckend wird Englisch gesprochen, wie es der Reiseführer versprach. Hätte uns auch gewundert. Wer in ein fremdes Land reist, sollte wenigstens die Grundbegriffe der Sprache dieses Landes beherrschen. Es ist eine Art der Höflichkeit und des Respekts vor der Bevölkerung.

Quinta do Santo da Serra

Der Quinta do Santo da Serra wird in jedem Führer beschrieben und sollte auch eines Blickes gewürdigt werden. Es gibt aber schönere Gärten, welche dafür aber auch einen entsprechenden Obolus verlangen.

Langsam fahren wir in Richtung Portela-Pass (schnell fahren könnte tödlich sein) und genießen die Aussicht. Bei klarer Sicht soll man die Nachbarinseln sehen, dieses Vergnügen haben wir leider nicht. Das Wetter ist an diesem Tag zu trüb. Die Natur mit ihrer Pflanzen und ihrer Blütenpracht entschädigt uns um ein Mehrfaches. Insbesondere die Eukalyptuswälder auf dem Rückweg nach Funchal, deren starke Aromen den Wagen durchströmen.

In Funchal wieder angekommen, steuern wir diesmal direkt in die Altstadt und lassen den Hafen mit seinen Restaurants rechts liegen. Kleine Geschäfte und Restaurants gemischt mit reinen Wohnhäusern wechseln sich ab. Im Licht der Straßenlaternen und der Schaufensterbeleuchtung, nicht zu vergessen, in dieser Zeit der überall gegenwärtigen Weihnachtsdekoration, wird die komplette Altstadt in ein dezentes Lichtermeer getaucht. Selbst die engen Seitenstraßen mit ihren alten Gebäudebeständen strahlen eine Wärme der Geborgenheit aus. Auch wenn man hier und da sieht, dass der Zahn der Zeit so manchen von ihnen stark zugesetzt hat. Wie fast überall in Europa ist es schwer, einen gesunden Mittelweg zu finden. Auf der einen Seite die Auflagen des Denkmalschutzes, auf der anderen Seite das fehlende Geld und der fehlende Wille, in den kleinen und dunklen Räumlichkeiten zu wohnen oder zu arbeiten. Ein Kompromiss ist schwer zu finden, und so wird manches ehemalige Schmuckstück dem Verfall überlassen. Langsam aber sicher übernimmt die Natur die Überhand. Sträucher und Bäume beginnen aus den Dachrinnen und Dächern zu wachsen, Moos kriecht langsam an den Außenwänden herab. Wie es auch bei uns in den Städten und Dörfer immer wieder zu sehen ist. Dabei verpflichtet Eigentum, doch viele vergessen es. Die Regierung investiert anscheinend lieber in Schnellstraßen und Großtunnelprojekte als ihre wirklichen Schätze zu schützen, warum sollte sich Madeira vom ROW (rest of the world) unterscheiden.

Wir haben es gefunden, das Restaurant unseres Geschmacks. Die Kellner in traditioneller Kleidung, nicht aufdringlich, aufmerksam und höflich. Beratend stehen sie bei der Auswahl des Menüs zur Seite. Die Schalentiere als Vorspeise und das Thunfisch-Hauptgericht erfüllen voll unsere Erwartungen. Es gibt sie also doch noch, gute Restaurants in Touristenzentren. Wir genießen den Abend, bis uns die Kirchturmuhr der nur wenige Meter entfernten Kirche an die vorgerückte Zeit erinnert.

Schwimmbad

Zurück im Hotel, Blick in den Pool, trotz 25 Grad Wassertemperatur, wieder kein Schwimmer. Auch im öffentlichen Freibad scheinen die Scheinwerfer ins Leere. Ich habe auch keine Lust schwimmen zu gehen, es war ein eindrucksvoller und interessanter Tag. Dieser Tag geht in die Geschichte ein, ich habe heute weder meinen Laptop angemacht, um die Börsenkurse abzufragen, noch irgendwelche Wirtschaftsnachrichten gelesen. Das erste Mal seit Jahren. Und ich habe überlebt. nächster Tag

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